Pressemitteilung Nr. 41/06, 14.02.2006

Gedanken des Landrates zur erneuten Kreisgebietsreform-Diskussion

Bezug nehmend auf den am heutigen Tage in der "Lausitzer Rundschau" abgedruckten Beitrag "Kleinstaaterei steht vor dem Ende. Kreisstrukturen in neuen Ländern werden korrigiert / Nur für Brandenburg kein Thema" von Christian Taubert äußert sich Spree-Neiße Landrat Dieter Friese wie folgt:


„Bürgernähe und demokratische Mitbestimmung wären dahin!“

Wir übten mit aller Macht!
Aber immer wenn wir begannen
zusammengeschweißt zu werden,
wurden wir umorganisiert.
Ich habe später im Leben gelernt,
dass wir oft versuchen,
neuen Verhältnissen durch
Umorganisieren zu begegnen.

Es ist eine phantastische Methode!
Sie erzeugt die Illusion des Fortschritts,
wobei sie gleichzeitig Verwirrung schafft,
die Effektivität vermindert
und demoralisierend wirkt.

Gaius Petronius
Römischer Feldherr
(80 n. Chr.)

Eigentlich müsste man der Weisheit dieses römischen Feldherrn nichts hinzufügen, wollte man die Diskussion um eine Kreisgebietsreform im o.g. Beitrag der „Lausitzer Rundschau“ vom 14.02.2006 kommentieren. - Doch die Angelegenheit ist ernster!

Seit es in Deutschland Landkreise gibt, beginnend mit den Stein-Hardenbergschen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, unterlagen sie vielfachen Veränderungen. Veränderungen in räumlichen Strukturen, in ihren Aufgaben, in ihrer demokratischen Legitimation. Sie erfüllten im Wesentlichen aber immer die Aufgaben für ihre Bürger im ländlichen Raum, außerhalb der großen, selbstverwalteten Städte.
Aufgabe der Landkreise war und ist es also, dafür zu sorgen, dass ihre Bürger die gleiche Lebensqualität erfahren wie die Menschen in großen Städten. Sie übernehmen die Aufgaben für die Dörfer, die kleineren und mittleren Städte, die mit diesen Verwaltungsaufgaben personell wie finanziell überfordert wären. Insbesondere sind dies Aufgaben im Personenverkehr, im Umweltbereich, in der Müllentsorgung, der Gesundheitsfürsorge, der Landwirtschaft, der Lebensmittelhygiene, der Bauordnung, der Schulbildung, ... - um nur einige, wenige zu nennen.

Natürlich hat dies auch mit Geld zu tun, denn all diese Leistungen müssen schließlich bezahlt werden. Da die Landkreise nach deutschem Recht - außer der Jagdsteuer - keine eigenen Steuereinnahmen haben, muss das Land für die Finanzierung sorgen und über eine immer umstrittene, sogenannte Kreisumlage auch die Gemeinden des Kreises.

Nun gibt es kluge Leute, die meinen, je größer man die Kreise macht, desto billiger werden die Leistungen. Das mag bis zu gewissen Grenzen auch stimmen. Demokratie, besonders auf kommunaler Ebene, lebt aber vor allem von der Mitbestimmung durch die Bürger, durch die Abgeordneten des Kreistages, die dies alles in ihrer Freizeit tun, die folglich auch noch in der Lage sein müssen, all das zu überblicken, was ihre Verwaltung so tut.
Nun könnte man ja sagen: „Mehr Kompetenz in die Gemeinden! Jedem Mittelzentrum mit 20.000 Einwohnern wieder ein Jugendamt, ein Sozialamt, ein Bauordnungsamt und die Kfz-Zulassung!“ - und wer bezahlt diese neuen Behörden? Und was machen diejenigen Ämter und Gemeinden, die - wie in Brandenburg weit verbreitet - nur 5.000 bis 10.0000 Einwohner haben? Machen wir die dann durch Zusammenlegung in einer erneuten Gebietsreform auch größer? Etwa in der Größe der Landkreise des Jahres 1990? ... gut, dann wären wir also wieder am Anfang!

Die im „Rundschau“-Beitrag in Rede stehenden fünf Landkreise Brandenburgs wären jeder für sich dreimal so groß wie das Saarland und jeder hätte mehr als 500.000 Einwohner. Welcher Kreistagsabgeordnete sollte dies in seiner Freizeit noch beherrschen? Bürgernähe und demokratische Mitbestimmung wären dahin!

Übrigens: Die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern ist – so jedenfalls Dr. Dombert, Richter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, und Prof. Stüer, Verwaltungsrechtler der Universität Osnabrück - ... ist „so etwas von verfassungswidrig, dass sie scheitern wird!“
Da erwarte ich gern ein Wettangebot von Herrn Christian Taubert.

Nach geltender Rechtsprechung darf man innerhalb einer Frist von ungefähr 30 Jahren Gebietsneugliederungen per Gesetz nicht mehr anrühren. In Brandenburg ginge dies bei den Kreisen als streng genommen frühestens 2025!


Dieter Friese
Landrat des Landkreises Spree-Neiße

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