Pressemitteilung Nr. 86/06, 23.03.2006

Landrat Friese: Gubener Abgeordnete werden verantwortungsvoll ihre Entscheidung treffen!

Offener Brief des Landrates zum "Aufruf an Bürgermeister und Stadtverordnete der Stadt Guben" im Zusammenhang mit dem Verkauf von Immobilien an Gunther von Hagens

Gubener Abgeordnete werden verantwortungsvoll ihre Entscheidung treffen!

Der öffentliche Protest gegen eine mögliche Ansiedlung Gunther von Hagens in Guben nimmt für mich mehr und mehr eine Form an, über die ich mittlerweile mehr als verwundert bin! Da wenden sich doch nun tatsächlich kirchliche Vertreter, Landtagsabgeordnete, Regierungsmitglieder Brandenburgs und Cottbuser Verantwortungsträger - allen voran die Oberbürgermeisterin - in einer langen Unterschriftsliste an den Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung von Guben, das „Geschäft mit dem menschlichen Körper“, das „Ausweiden“ toter Menschen nicht zuzulassen! Neben ihrer pharisäerhaften Gegnerschaft verbindet die Unterzeichner dieses Aufrufs vor allem eines: Es sind ALLES wirtschaftlich gut situierte Leute, ohne Sorgen um das Auskommen am nächsten Tag.

Es ist mir einfach nicht erinnerlich, dass sich Bürgermeister meines Landkreises, Abgeordnete oder andere Verantwortungsträger JEMALS öffentlich zu Angelegenheiten der Stadt Cottbus geäußert hätten, und zwar in dem Sinne, dieses oder jenes zu lassen, obwohl uns da auch schon Einiges dazu einfallen würde. Offensichtlich scheinen unsere Verantwortungsträger aber alle zu wissen, dass man so etwas eben nicht tut, dass es eine kommunale Selbstverwaltung gibt und dass man diese respektiert.

Ich habe auch von noch keinem der auf der Unterzeichner-Liste stehenden Landtagsabgeordneten, Minister und Staatssekretäre gehört, dass sie sich etwa gegen eine Streichung des Mittelzentrum-Status’ und damit gegen den Finanzverlust der Stadt Guben ausgesprochen hätten. Ebenso sind mir aus diesem Personenkreis kein Engagement bekannt oder eben auszeichnungsreife Vorschläge, was die Vermarktung oder „Wiederbelebung“ der vielen leerstehenden, riesigen Industrie-Ruinen im Kreisgebiet angeht. Welche finanzierbaren Vorschläge haben denn die Damen und Herren z.B. für das vom Land Brandenburg unter Denkmalschutz gestellte Ensemble in der Gubener Uferstraße?

Jeder, der mich kennt, wird wissen, dass ich das Wirken und die Stellung der Kirche in unserer Gesellschaft schätze. Auch, wenn ich nicht immer gleicher Meinung bin, wie bei diesem sicherlich strittigen Thema. Das Alleinvertretungsrecht aber, um über Moral und Ethik zu entscheiden, hat auch die Kirche nicht - das sollten ihre Vertreter aus der Geschichte noch wissen! - Auch die Befürworter der Ansiedlung Gunther von Hagens in Guben sind moralisch und ethisch handelnde Menschen. Und wer wirklich gegen das Geschäft mit dem menschlichen Körper ist und etwas tun will, hat ein breites Betätigungsfeld: Prostitution und Zwangsprostitution überall auf der Welt – auch in Polen und Deutschland, Abtreibungs- und Verhütungsverbot in großen Teilen der „dritten Welt“, Sextourismus und daraus resultierende Ausbreitung von Aids, der „Braut-Verkauf“ der eigenen Töchter an zahlungswillige ältere Männer ...

Ich bin jedenfalls sicher: In Verantwortung für ihre Stadt und die Bedürfnisse ihrer hier noch lebenden Menschen werden die Abgeordneten Gubens eine Entscheidung treffen, nachdem sie alle Vor- und Nachteile gewissenhaft abgewogen haben ... - hoffentlich die richtige! ... So oder so aber, sollten alle Anderen, auch die Unterzeichner sämtlicher Aufrufe, diese Entscheidung dann auch akzeptieren!


Dieter Friese
Landrat des Landkreises Spree-Neiße


Pressestelle des Landkreises Spree-Neiße
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