Pressemitteilung Nr. 153/06, 14.06.2006

Kappung von Bäumen: Pflege oder Verstümmelung?

Aus aktuellem Anlass einige Bemerkungen der Unteren Naturschutzbehörde

In den letzten Monaten wurden wieder verstärkt Rückschnitte und Kappungen an Gehölzen, insbesondere an Großbäumen vorgenommen, von denen die meisten Besitzer eines Baumes glaubten, den Baum korrekt gepflegt und das Richtige getan zu haben. - Doch leider unterliegen sie in den meisten Fällen einem großen Irrtum!

Ein Baum entwickelt sich nach den Standortbedingungen: Lichtverhältnisse, Wasser, Durchwurzelbarkeit des Bodens oder Nährstoffangebot sind dabei die wichtigsten Faktoren. Der Baum bildet Wurzeln, Stamm und Krone aus und dies in einem physiologischen Gleichgewicht zueinander. Er passt sich fortwährend optimal an Belastungen an und kann statische Schwächen ausgleichen. Das funktioniert aber nur dann, wenn dieses Gleichgewicht nicht massiv gestört wird.

Schnittmaßnahmen an Bäumen werden von diesen meist gut vertragen, wenn die Schnittmaßnahme an die Entwicklung des Baumes angepasst wird bzw. der Entwicklung des Baumes entsprechen. (1)
Die Kronenpflege umfasst das Ausschneiden von toten, kranken, gebrochenen, beschädigten, sich kreuzenden und reibenden Ästen, aber auch das Vorbeugen von Fehlentwicklungen durch Schnittmaßnahmen im Fein- und Schwachastbereich sowie bedarfsweise das Nachschneiden von Aststummeln/Ästen. (2)

Um das richtig einschätzen zu können, bedarf es allerdings eines fundierten Fachwissens desjenigen, der die Schnittmaßnahme durchführt! Diese haben in der Regel Fachagrarwirte für Baumpflege. Leider zeigt sich in der Praxis, dass zum Teil Landschaftspflege-/Landschaftsbaufirmen Baumschnitt- und Baumpflegemaßnahmen anbieten und durchführen, jedoch das Personal eine dafür erforderliche Qualifikation nicht nachweisen kann. Insofern trifft man, häufig auch im öffentlichen Bereich, auf nicht fachgerechte Schnittmaßnahmen und Kappungen, die zum einen nicht nur die Bäume in unzulässigem Maß beeinträchtigen und schädigen, sondern auch den ästhetischen Anblick empfindlich stören.

Entgegen teilweise verbreiteter Ansichten ist das Zurücksetzen/Kappen der Krone im fortgeschrittenen „Baumalter“ keine Baumpflege! Das anerkannte und für Baumpfleger unerlässliche Handbuch und die Richtlinie, wie nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Bäume geschnitten und gepflegt werden müssen, ist die ZTV- Baumpflege. Hierin wird die Kappung als „umfangreiches, baumzerstörendes Absetzen der Krone ohne Rücksicht auf Habitus und physiologische Erfordernisse“ beschrieben. Die Kappung ist keine fachgerechte Maßnahme! Im Gegensatz dazu ist der Kopfbaum eine historische Nutzungsform bestimmter Baumarten, die ab dem Jungbaumalter (!) in dieser Form regelmäßig geschnitten werden müssen. (3) 
Im Übrigen wurde bereits 1895 in der Fachliteratur vor Stümmelschnitten gewarnt.

Bei einer Kappung wird die Biomechanik des Baumes derart ins Ungleichgewicht gebracht, dass der Baum nicht in der Lage ist, ohne immense Vitalitätsverluste auf solch’ plötzliche Veränderungen zu reagieren. Viele Bäume treiben zwar wieder aus, aber sie werden nie wieder eine arttypische Krone entwickeln. Der Kostenaufwand für die unbedingt erforderliche Pflege in der Folgezeit steigt deutlich, denn die Astaustriebe sind nach einigen Jahren so ausbruchgefährdet, dass sie alle 3 bis 5 Jahre geschnitten werden müssen. Demgegenüber reduziert sich die Lebenserwartung eines gekappten Baumes erheblich.

Die Baumschutzverordnung des Landkreises Spree-Neiße (unter www.lkspn.de, Rubrik Satzungen -> Verordnungen einsehbar) verbietet neben der kompletten Beseitigung eines geschützten Landschaftsbestandteiles ohne Ausnahmegenehmigung auch die Zerstörung, Beschädigung und Änderung des Aufbaues. Demzufolge ist auch eine Kappung verboten und wird als Ordnungswidrigkeit geahndet. Eine Kappung zählt regelmäßig nicht zu den Pflegemaßnahmen, die über die kreisliche Baumschutzverordnung als erlaubte Handlung genehmigungsfrei ist. In begründeten, aber seltenen Fällen sind Ausnahmen möglich.

Tragen Sie dazu bei, dass die Bäume nicht zu Baumruinen verstümmelt werden! Fordern Sie die Fachfirmen auf, ihre Qualifikation nachzuweisen!

Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Spree-Neiße steht Ihnen bei Fragen gern zur Verfügung (Tel.: (03562) 986-17003) und bedankt sich für Ihre Unterstützung.


Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Spree-Neiße


(1) P. Klug: Baumpflege und fachgerechter Kronenschnitt Teil III, AFZ-Der Wald 6/2003
(2) Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege (ZTV-Baumpflege), Ausgabe 2001
(3) E. Lesser: Die Pflege des Obstbaumes in Norddeutschland, 1985




Hinweise zu Fachbeiträge und Berichten, Literatur:

Dirk Dujesiefken: Die häufigsten Irrtümer im Umgang mit Bäumen in der Baumpflege (Jahrbuch der Baumpflege 2001)

Claus Matthek, Helga Breloer: Handbuch der Schadenskunde von Bäumen Alex L. Shigo: Baumschnitt, Leitfaden für richtige Baumpflege

Peter Klug: Praxis Baumpflege – Kronenschnitt an Bäumen
www.baumpflege-lexikon.de

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