Pressemitteilung Nr. 117/07, 23.04.2007

''Prognos'' reagiert auf ''Offenen Brief des Landrates''

Eine am 26.03.2007 im „Handelsblatt“ veröffentlichte Studie des Schweizer Beratungsunternehmens „Prognos“ sorgte in den vergangenen Tagen und Wochen für Aufregung und Diskussion. Vor allem im Landkreis Spree-Neiße und in der Kreisverwaltung, denn der sogenannte „Zukunftsatlas 2007“ bescheinigte dem Landkreis die schlechtesten Aussichten in ganz Deutschland. Landrat Dieter Friese wandte sich daraufhin mit einem „Offenen Brief“ (siehe Pressemitteilung Nr. 82/07 vom 28.03.2007) an das Unternehmen, aber auch an die Öffentlichkeit und nannte Zahlen und Fakten, warum er die Realität etwas anders sieht. In dem Schreiben bat er „Prognos“ außerdem um die der Untersuchung zugrunde liegenden Kriterien, die weder in der „Handelsblatt“-Veröffentlichung noch im Internet zu finden waren, die er aber gern auch der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Am 19. April 2007 kam nun die Antwort aus Basel ...


Basel, 12. April 2007


Zukunftsatlas 2007 – Erwiderung auf Ihr Schreiben vom 28.03.2007


Sehr geehrter Herr Landrat Friese,

zunächst einmal möchten wir uns bei Ihnen für Ihre intensive Analyse der Ergebnisse des Prognos-Zukunftsatlas 2007 und den per Brief gemachten Anmerkungen zum Landkreis Spree-Neiße bedanken.

Der von Ihnen gelieferten wirtschaftlichen Situationsbeschreibung des Landkreises Spree-Neiße möchten wir uns ausdrücklich anschließen. Die schwierige wirtschaftliche Umstrukturierung seit 1990 mit der Schrumpfung einiger wichtiger Branchen ist eine noch heute währende Hypothek, die jedoch den heute politisch Verantwortlichen nicht angelastet werden darf, und gleichzeitig eine Herausforderung für die Zukunft. Einige wirtschaftliche Erfolge in der Region, wie die Investition in die Papierfabrik und in der chemischen Industrie und der Erfolg der Sparkasse Spree-Neiße, sind beachtlich.

Ihren Unmut über das Ranking des Landkreises Spree-Neiße mit dem 439. Platz können wir natürlich verstehen. Wir müssen jedoch auch feststellen, dass sich trotz aller erkennbarer positiver Entwicklungen und Erfolge einige Kernelemente der regionalen Zukunftsfähigkeit im Landkreis Spree-Neiße verschlechtert haben bzw. hinter den Entwicklungen vieler deutscher Regionen zurück bleiben. Damit erklärt sich letztlich auch der Rückgang um 15 Rangplätze gegenüber unserem Zukunftsatlas 2004. Da wir mit unserem Atlas eine Strategiediskussion anregen und die Regionen Deutschlands auf mögliche Stärken und Schwächen hinweisen wollen, um die Zukunftsfähigkeit weiter zu verbessern, möchten wir Ihnen unsere Ergebnisse und Einschätzungen gerne erläutern.

Ziel des Zukunftsatlas 2007 ist es, die Zukunftsfähigkeit aller 439 Landkreise und kreisfreien Städte mit einem indikatorengestützten Verfahren zu vergleichen. Die Regionalbewertung ist dabei sehr breit angelegt und stützt sich auf 29 Einzelindikatoren, z.B. aus den Bereichen Soziale Lage & Wohlstand, Demografie, Arbeitsmarkt und Wettbewerb/Innovation (weitere Details unter http://www.prognos.com/zukunftsatlas/). Der Zukunftsatlas 2007 ist eine Neuauflage des im Jahr 2004 veröffentlichen Rankings mit identischer Methodik, um Veränderungen und Rangplatzveränderungen aufzeigen zu können. Um allen Regionen dieselben fairen Chancen beim Abschneiden zu bieten, werden alle Indikatoren größenbereinigt, so dass auch eine vergleichsweise kleine Region gut abschneiden kann (Bezugsgrößen sind u.a. Einwohner, Beschäftigten etc.)
Beispielsweise schneidet Potsdam in dieser relativierten Sichtweise besser ab als Berlin, obwohl die Bundeshauptstadt nach absoluten Größen in vielen Bereichen führend ist.

Wir möchten Ihnen an dieser Stelle zunächst die ausschlaggebenden Gründe für die unbefriedigende Gesamtbewertung nennen: Mit Bezug auf Ihre Ausführungen zum Arbeitsmarkt möchten wir z.B. darauf hinweisen, dass der Teilbereich Arbeitsmarkt in unserer Analyse nicht durch eine bloße Betrachtung der Arbeitslosenquote abgebildet wird. Wir haben in das Indikatorenset noch weitere, zukunftsbestimmende Bereiche mit aufgenommen, die insbesondere auf die Bedeutung von Qualifikation eingehen. Damit ergibt sich ein differenzierteres Bild des Arbeitsmarktes.

Hintergrund für die Bewertung des Landkreises Spree-Neiße im Bereich Arbeitsmarkt ist u.a. das ungünstige Verhältnis von Erwerbstätigen zu Einwohnern (Platz 403), welches als Indikator für die Arbeitsplatzdichte herangezogen wird, und die negative Entwicklung dieses Indikators von –4,7 % , dies ist Rang 435. Zudem haben wir den Anteil der Tertiärbeschäftigung gemessen, in dem schwerpunktmäßig in Deutschland Beschäftigungswachstum stattfindet, wo der Spree-Neiße mit 47 % lediglich den Platz 408 im Ranking erreicht. Zudem ist die Zahl der Beschäftigten des Dienstleistungsbereiches im Betrachtungszeitraum 2000 - 2005 sehr stark zurückgegangen. Damit hat sich der schon im Zukunftsatlas 2004 zu beobachtende Trend (1999 - 2003: minus 17,1 %) fortgesetzt.
Dies ergibt Rang 435. Bei dem Anteil der Hochqualifizierten an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nimmt der Landkreis den 189. Rang ein, während bei der Dynamik dieses Indikators mit einer Veränderungsrate von 0,4 % nur Rang 334 erreicht wird.

Bei der Zusammenführung dieser Indikatoren, die stellvertretend für den Arbeitsmarkt stehen, ergibt sich das im Zukunftsatlas ausgewiesene Ergebnis des Landkreises in unserem Teilindex Arbeitsmarkt, trotz einiger positiver Impulse und Entwicklungen, die sich beobachten lassen. So ergibt sich auch der Rückstand zu Cottbus, obwohl die Stadt, wie von Ihnen zutreffend beschrieben, beim Rückgang der Arbeitslosenquote geringere Erfolge aufweisen kann als der Landkreis Spree-Neiße.

Dieses Abschneiden des Landkreises lässt sich aus unserer Sicht auch nicht mit der Gemeindeneugliederung erklären, die 3 Orte mit 5.000 Einwohnern Cottbus zugeschlagen hat. Dort, wo der Zukunftsatlas die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) heranzieht, wird auf dem heutigen Gebietsstand basierend für vergangene Jahre eine Rückwärtsrechnung mit dem heutigen Gebietsstand vorgenommen. D.h. die Daten repräsentieren die Bevölkerungsentwicklung für den bereinigten Gebietsstand und rechnen die Gemeindeneugliederung heraus. Gleichzeitig gehen die Indikatoren wie oben beschrieben auch meistens größenbereinigt ein, so dass wir einen Einfluss Gemeindeneugliederung zwar auch sehen, diesen aber für nicht entscheidend einstufen.

Insgesamt lässt sich der Rangplatz des Landkreises durch die folgenden Indikatoren erklären:

Rückgang der regionalwirtschaftlichen Gesamtleistung (BIP) um -4,7 % gegenüber +5,4 % in Brandenburg insgesamt

- Starker Beschäftigungsabbau im Dienstleistungsbereich (aber auch in der Industrie)

- Bevölkerungsrückgang und negativer Binnenwanderungssaldo, gerade bei jungen Erwachsenen, sowie eine niedrige Geburtenrate

- Geringer Beschäftigtenanteil in Branchen mit für die Zukunft prognostizierten hohen Beschäftigungswachstum (2004 - 2030)

- Niedriger Anteil Hochqualifizierter

- Geringer Anteil von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (FuE-Personal, Patente) in den Unternehmen des Landkreises und weiterer Rückgang

- Niedrige Arbeitsplatzdichte, also des Verhältnisses von Erwerbstätigen zu Einwohnern, sowie weiterer Rückgang in den letzten Jahren

- Trotz beachtlichen Rückgangs eine weiterhin hohe Arbeitslosenquote

Auf der anderen Seite erkennt Prognos sehr wohl an, dass die Region viel unternimmt und dabei auf dem richtigen Weg ist. Positiv aufgefallen sind uns die hohen Investitionen, die im Landkreis real stattfinden. Wir erfassen das über die Investitionstätigkeit in der Industrie, bei denen auch in unserer Analyse der Kreis hervorragend abschneidet. Wir sind uns sicher, dass diese Investitionen in naher Zukunft die Rangplätze des Kreises entscheidend positiv beeinflussen werden. Allerdings lassen sich derzeit die Ergebnisse dieser guten und richtigen Ansätze noch nicht in der Analyse fassen, da es immer einen gewissen Zeitabstand zwischen der Initiierung und der tatsächlichen Wirkung von Maßnahmen gibt, die dann erst später in amtlichen Statistiken sichtbar werden.

Diese positive Grundeinschätzung spiegelte sich auch in den Gesprächen wieder, die wir im vergangenen Jahr mit Vertretern der Stadt Spremberg geführt hatten, die vom Land auch als Regionaler Wachstumskern mit besonders positiven Ausstrahlungseffekten auf das Umland identifiziert wurden. Dort sind wachstumsorientierte, Erfolg versprechende Projekte auf den Weg gebracht worden, die die Zukunftsfähigkeit des RWK und des gesamten Landkreises mit gestalten.

Der eingeschlagene Weg, die Region zukunftsfähig zu machen, muss sicherlich mit allen notwendigen Anstrengungen weiter verfolgt werden. Wir würden uns freuen, in den nächsten Monaten mit Ihnen in einen konstruktiven Zukunftsdialog zu treten!


Mit freundlichen Grüßen
Prognos AG


gez. Christian Böllhoff
Geschäftsführer

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