Pressemitteilung Nr. 13/09, 15.01.2009

''Entschädigung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro wäre ein leichtfertiger Umgang mit Steuergeldern"

Schreiben des involvierten Experten Dr. Günter Gaentzsch zum Fall des "Weskower Dorfkonsums" an die Redaktion von ''Frontal 21''

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe (…) den Beitrag "Behörden gegen Bürger" in „Frontal 21“ gesehen. Ich muss leider sagen, dass er die Dinge völlig einseitig darstellt. Bevor man solche Vorwürfe gegen Behörden erhebt, sollte man gründlicher recherchieren.

Ich war mit dem Fall befasst. Nach 15 Jahren des Prozessierens, dessen Ergebnis (Abriss eines Gebäudes und Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz einer Familie) meines Erachtens völlig unverhältnismäßig zu dem relativ geringfügigen Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht war und gegen alle Vernunft verstößt, bin ich gebeten worden, zwischen den Beteiligten zu vermitteln, um eine allseits befriedende Lösung zu finden, bei der der Abriss des Gebäudes und die Vernichtung einer wirtschaftlichen Existenz hätte vermieden und ein angemessener Ausgleich für den klagenden Nachbarn hätte erreicht werden können. Das ist mir aber leider nicht gelungen. An der Bereitschaft zu einem weitgehenden Entgegenkommen auf Seiten des Landkreises und des Kommunalen Schadensausgleichs hat es nicht gefehlt.

Ich habe meine Erfahrungen aus dem Fall in einem inzwischen veröffentlichten wissenschaftlichen Beitrag* niedergeschrieben, weil ich der Meinung bin, dass Ursache dafür, dass es in geschildertem Fall zu einem solchen - mit normalem Menschenverstand nicht nachvollziehbaren - Ergebnis gekommen ist, auch die "strukturelle Schwäche des öffentlichen Baurechts" zur angemessenen Lösung nachbarlicher Konflikte ist. Den Fall habe ich in tatsächlicher Hinsicht (…) geschildert. Allein das Lesen der Schilderung des Falles wird zu der Erkenntnis führen, dass das Ergebnis der vielen gerichtlichen Verfahren wohl nicht die angemessene Lösung sein kann.

Meines Erachtens müssten die Verwaltungsgerichte in solchen Fällen der Unverhältnismäßigkeit eines Gebäudeabrisses die Möglichkeit eines Geldausgleichs für den in seinem Nachbarrecht - geringfügig - verletzten Nachbarn zulassen, wie es bei zivilrechtlichen Nachbarstreitigkeiten eine Selbstverständlichkeit ist. Andeutungen in diese Richtung finden sich bereits in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Bei den unteren Instanzen ist es aber wohl noch nicht angekommen. Den Geldausgleich hätte im Fall einer rechtswidrig erteilten Baugenehmigung natürlich die Baugenehmigungsbehörde zu zahlen. In der Verwaltungspraxis werden nach meiner Kenntnis derartige Fälle häufig so gelöst.

Der Fehler, den man dem Landkreis vorwerfen kann, ist, dass er gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts erster Instanz kein Rechtsmittel eingelegt hat. Ich nehme an, dass der Fall dann eine andere Wendung genommen hätte.

Sie sollten vielleicht auch wissen, dass der Brandenburgische Landesgesetzgeber inzwischen zweimal die Landesbauordnung geändert hat, um Fälle dieser Art angemessen zu lösen. Zu DDR-Zeiten sind häufig Gebäude ohne Rücksicht auf privates Eigentum und ohne ausreichenden Grenzabstand genehmigt und errichtet worden. Privateigentum hatte bekanntlich keinen hohen Stellenwert. Die Gesetzesänderungen wollen es ermöglichen, solche Gebäude heutigen Anforderungen entsprechend zu ändern, ohne dass dadurch der Bestandschutz verloren geht. Gestützt auf diese Gesetzesänderungen versucht meines Wissens der Landkreis, mit einer sog. Vollstreckungsabwehrklage den Abriss zu vermeiden. Über diese Klage ist noch nicht entschieden. Auch über die Schadensersatzklage der jetzt offenbar selbst auf den Abriss ihres eigenen Gebäudes drängenden Eigentümer ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Würden Sie es für in Ordnung befinden, wenn der Landkreis in dieser Situation auf Kosten des Steuerzahlers das Gebäude, in dem die Eigentümer weiterhin ihren Laden betreiben und ihre wirtschaftliche Existenz haben, abreißen ließe und eine Entschädigung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro zahlen würde, ohne dass in der Sache gerichtlich abschließend entschieden ist? Das kann ich mir nicht vorstellen. Das wäre ein leichtfertiger Umgang mit Steuergeldern.

Dr. Günter Gaentzsch
Vors. Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.

* veröffentlicht in: Battis/Söfker/Stüer, Nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung, Festschrift für Michael Krautzberger zum 65. Geburtstag, Verlag C.H. Beck, München 2008, S.19 - 32

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